Motiv
5 Fragen an Peggy Hachenberger zum neuen VTV

Peggy Hachenberger ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der GRA – Rechtsanwaltsgesellschaft und berät Banken in individuellen und kollektiven arbeitsrechtlichen Fragen.

Seit Jahresanfang 2020 – spätestens seit 1.7., gilt für die Volksbanken Raiffeisenbanken der neue Vergütungstarifvertrag (VTV). Für neu eingestellte Mitarbeiter oder bei qualitativen Veränderungen von Stellen sind die neuen Regelungen anzuwenden.

1. GPC: Frau Hachenberger, nun haben die Volksbanken Raiffeisenbanken einen aktualisierten VTV – was macht ihn aus Ihrer Sicht für die Banken attraktiv?
Die neue Tarifsystematik ist von den traditionellen „Tätigkeitsbeispielen“, die längst überholt waren, weggekommen. Jetzt ist sie näher an der Praxis und legt den Fokus auf Merkmale, wie „Wissen, Ausbildung und Fortbildung“, „Entscheidungsfähigkeit“, „Verantwortung“, „fachliche Leitung“ und „Führung“. Dadurch können für jede Bank individuelle Bewertungen vorgenommen werden; maßgeblich sind die jeweils stellenrelevanten Arbeitsprozesse und Arbeitsaufgaben, aber auch Auswirkungen der Technisierung, Standardisierung und Digitalisierung. Also zusammengefasst: es steht das im Vordergrund, was für die zukünftige Bankentwicklung wichtig wird.

2. Ganz platt gefragt: Wird es jetzt für die Banken leichter, die passende Eingruppierung festzulegen?
Wohl eher nicht, aber auch hier gilt, dass zukünftige Eingruppierungen besser an die hausindividuellen Kompetenz-und Qualifikationsanforderungen angepasst werden können. Unverändert gilt, dass Stellenanforderungen anhand der tarifvertraglichen Regelungen sorgfältig zu würdigen sind. Das heißt: kein Automatismus, sondern die Betriebsparteien müssen die tatsächlichen Aufgaben-und Anforderungen prüfen. Beispielsweise ist ein Kundenberater oder ein Spezialist in der Banksteuerung (nehmen wir Anforderungen oder Gestaltungsspielraum) in Bank A in der Regel nicht zu 100% deckungsgleich mit Bank B. Auch werden erfahrungsgemäß die Sichtweisen und Bewertungen der Betriebsparteien nicht immer einheitlich sein. Wenn jedoch einmal ein „Grundstein“ gelegt wurde, kann eine Systematik auch besser gelingen, nämlich anhand der neuen tariflichen Merkmale zur Eingruppierung. Davon gehe ich zumindest aus. Dieser Grundstein wird sich im Laufe der Zeit durch die Praxis in den einzelnen Instituten konsolidieren.

3. Vor dem 1.1. bzw. 1.7. getroffene Eingruppierungs- und Vergütungsvereinbarungen haben Bestandsschutz – wann komme ich denn als Bestandsmitarbeiter mit dem neuen VTV in Berührung?
Für Bestandsmitarbeiter ändert sich erst einmal nichts. Erst wenn sich das Aufgabenspektrum eines Bestandsmitarbeiters verändert, kann auch eine Änderung der tariflichen Eingruppierung stattfinden. Hier wiederum ist maßgeblich, ob die Stellenveränderungen eine qualitative Versetzung darstellen, dann ist zwingend eine neue Bewertung der Eingruppierung anhand des neuen tariflichen Wortlautes durchzuführen. Führen die Änderungen zu einer Höhergruppierung besteht für den Mitarbeiter ein Recht zum Wechsel in die neue Vergütungstabelle mit Tätigkeitsjahren.

4. Was sind die häufigsten Fragen, die Personaler in der VTV-Anwendung an Sie herantragen?
So allgemein kann diese Frage gar nicht beantwortet werden, da die Anfragen sehr individueller Natur sind - höchstens die, ob man nicht nochmal die Anwendung verschieben könnte. Aber Spaß beiseite, ich erfahre aktuell, dass sich ganz viele Personalabteilungen mit der neuen Tarifsystematik befassen und diese umsetzen. Fragen werden dann anlässlich konkreter Einzelfälle gestellt, insbesondere, wenn Mitarbeiter erstmals Führungsfunktionen oder Leitungsaufgaben übertragen bekommen. Denn dann gilt es, die neuen tariflichen Zulagen zur Anwendung zu bringen. Leitung und Führung sind in der neuen Tarifsystematik losgelöst von der Vergütungsgruppe, und daher separat zu bewerten und umzusetzen. Diese Systematik ist neu, sodass sich hieraus Fragestellungen ergeben.

5. Welche Empfehlungen geben Sie diesen Personalern?
Banken sollten die Chance der neuen Tarifsystematik, insbesondere der neuen Eingruppierungsregelungen nutzen, um die ganz individuellen Prozessanforderungen und Stellenzuschnitte im jeweiligen Haus abzubilden. Dabei sind die erforderlichen Qualifikationsstufen, Vorgaben und Prozessstandardisierungen zu analysieren, sowie Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume bei der Arbeit zu berücksichtigen. Dabei sollten Führungskräfte und Personalbereich Hand in Hand arbeiten, um eine sach-und fachgerechte Bewertung jeder Funktion bzw. Stelle vorzunehmen und eine Basis für eine Eingruppierung zu schaffen. An dieser Stelle sei stets darauf hingewiesen, dass der „Versuchung“ widerstanden wird, im alten Trott -also anhand der alten Rollenbilder „fortzufahren“. Es ist auf Grundlage der neuen Definitionen für die Eingruppierungen ein Eingruppierungsgefüge für die jeweilige Bank zu erstellen.

Vielen Dank Frau Hachenberger! (Stand vom 9.7.2020)

Matthias Lanig

Senior Manager, Organisationsentwickler und Agile Coach
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Fordern Sie uns
Menü